Bujinkan

Gyokko Ryû

(Schule des mit Juwelen geschmückten Tigers)

Gyokko Ryû ist zweifelsfrei die älteste der neun Schulen des Bujinkan und zugleich auch eines der ältesten dokumentierten Kampfsysteme Japans. Die Ursprünge des Gyokko Ryû liegen jedoch im alten China, insbesondere die charakteristischen Fingerstich- und Krallentechniken. Die Art der Bewegungen lässt darauf schließen, dass dieser Stil von einer kleinen Person entwickelt wurde.

Zur Zeit der Tang-Dynastie (618 – 907) lebte eine Frau am Kaiserhof in der damaligen Hauptstadt Chang’an (heute Xi’an), die berühmt war für Ihre Kampfkunst: Gongsun Da Niang. Ihr genauer Name ist nicht genau überliefert. Meist als „Lady Gongsun“ aus dem Chinesischen übertragen, lautet die genauere wörtliche Übersetzung „Dame aus dem Gongsun Klan“. Der Gongsun Klan wird interessanterweise zurückgeführt bis hin zum legendären „Gelben Kaiser“ Gongsun Xuanyuan Huangdi, den man auch mit den Ursprüngen des Taiqiquan – damals noch eine Kampfkunst – in Verbindung bringt. Einer der wichtigsten Dichter jener Zeit, Du Fu (712 – 770), schrieb, begeistert von der Schwerttanz-Vorführungen einer ihrer Schülerinnen das Gedicht „Zusehen beim Schwerttanz einer Schülerin der Dame Gongsun“. „Schwerttanz“ war damals ein weit verbreiteter Begriff für Kampfkunst mit Klingenwaffen, unsere heutigen Kategorisierungen gab es damals noch nicht. So liegt die Vermutung nahe, dass ein Schüler der Meisterin aus dem Gongsun Klan hinter dem legendären Lehrer Yo Gyokko oder Cho Gyokko steht, der nach dem Sturz der Tang-Dynastie 907 mit anderen Mitgliedern des Adels nach Japan floh und so seine Schule im Reich der aufgehenden Sonne einführte.

Eine andere Version der Entstehungsgeschichte des Gyokko Ryû besagt, dass ein kleingewachsener, aber kräftiger Wachsoldat am chinesischen Kaiserhof diesen Kampfstil – zugeschnitten auf seine Größe – entwickelt hatte. Als Indiz hierfür wird gesehen, dass die Kampfaktionen meist mit Festhaltetechniken beendet werden im Gegensatz zur völligen Ausschaltung des Gegners, zum Beispiel auf dem Schlachtfeld.

Anfangs wurden die Techniken im Gyokko Ryû mündlich von Generation zu Generation überliefert. Entsprechend ist über die ersten Meister dieser Schule so gut wie nichts bekannt. Erster offizieller Soke des Gyokko Ryû war Tozawa Hakuunsai, der während der Hogen Ära (1156 – 1159) lebte. Sein Name könnte auf eine Verbindung zum Hakuun Ryu Ninjutsu hindeuten, einer alten Schule, die heute nicht mehr existiert. Später, in der Tenmon-Periode (1532 – 1550), reorganisierte Sakagami Taro Kunishige das Gyokko Ryû Shito Jutsu. Er unterrichtete Toda Sakyo Isshinsai, den Begründer des Gyokko Ryû Koshi Jutsu (Schmerzpunkt-Techniken) und der Schwester-Schule Koto Ryû. Dieser wiederum lehrte beide Schulen, Gyokko Ryû und Koto Ryû, Momochi Sandayu, später einer der berühmtesten Ninja-Führer, der diese Traditionen während der Tokugawa-Periode (1603 – 1868) innerhalb des Iga Ryû fortführte, wodurch sie letztlich auch zu grundlegenden Techniken des Togakure Ryû wurden. Im 20. Jahrhundert ging die Schule an die Toda-Familie über. Sensei Takamatsu Toshitsugu Uō lernte Gyokko Ryû in jungen Jahren von Toda Shinryuken Masamitsu und gab sein Wissen dann an Soke Hatsumi Masaaki weiter.

Die Techniken des Gyokko Ryû lassen sich grob einteilen in Taijutsu – Kampf gegen einen unbewaffneten Gegner – und Muto Dori – Kampf gegen einen mit Katana, Wakizashi oder Tantō bewaffneten Gegner. Charakteristisch sind Koshi Jutsu („Den Tiger mit einem Finger niederschlagen“): Fingerstiche und Krallentechniken, kraftvolle Stampftritte und Blöcke mit den Fingerknöcheln gegen die Muskeln des Gegners sowie Greiftechniken und Würfe. Des weiteren ist diese Schule für ihre Techniken mit dem Roku Shaku Bō, Katana, Wakizashi und Tantō bekannt. Ein Prinzip des Gyokko Ryû ist es, nur soviel Kraft aufzuwenden, wie nötig ist, um den Gegner zu besiegen.

Die neun Regeln des Gyokko Ryû

  • Das Zeichen „Nin“ bedeutet, sein Land mit dem eigenen Leben zu schützen.
  • Vergiss Dein Ego, sei geduldig und fürchte nicht den Tod.
  • Sage nichts und zeige nichts in Gefahrensituationen.
  • Wenn ein starker Gegner erscheint, bewahre einen unbeugsamen Geist.
  • Diene Deinem Meister und Deiner Familie und beschütze sie.
  • Schlechte Angewohnheiten schwächen deine Fähigkeiten.
  • Trunkenheit behindert dein Urteilsvermögen.
  • Zerstöre die Kraft des Gegners, aber schone sein Leben.
  • Unterrichte andere Personen nicht ohne die Erlaubnis Deines Meisters.


zurück